Noch etwas müde von der Fahrt im kalten Nachtbus fuhr ich mit dem Taxi vom zentralen Busbahnhof zur Bootsstation und dann mit einem kleinen Boot zur Hauptinsel Bocas del Toro. Dort holte mich mein Betreuer Taylor am Hafen ab und begrüßte mich herzlich. Bei einem kleinen Frühstück erklärte er mir die Mission von Give and Surf und wie wir als Freiwillige dazu beitragen können, Bildung und Gemeindeentwicklung in abgelegenen Gebieten zu fördern. Ich war beeindruckt von der Hingabe des Teams, das sich dafür einsetzt, das Leben der Menschen vor Ort nachhaltig zu verbessern. Anschließend zeigte er mir, wo ich die wichtigsten Einrichtungen wie Lebensmittelläden, Community Center, Sprachschule und vieles mehr finden konnte, so dass ich mich in den nächsten Tagen gut zurechtfand.
Schnell merkte ich: In der Region Bocas del Toro spielt sich das Leben am und auf dem Wasser ab. Zusammen mit den anderen Freiwilligen wohnte ich auf der kleinen Insel Bastimentos, die nur mit einem kleinen Motorboot oder einem Wassertaxi zu erreichen war. Ein paar Delphine zeigten mir den Weg. Mit offenem Mund saß ich da, fasziniert von der Schönheit der Inselregion.
Die Unterkunft war sehr einfach, lag aber an einem wunderschönen Strand zwischen Palmen, so dass ich vom Bett aus das Rauschen des Meeres hören konnte. Sie entsprach in keiner Weise deutschen Hygiene-, Sauberkeits- und Lebensstandards, aber ich liebte sie schon jetzt – das Haus am Meer, am Rande des Dschungels. Seit meiner Kindheit hatte ich von einem solchen Ort geträumt, und nun war ich tatsächlich dort. Die Schönheit der Natur um uns herum war überwältigend. Ich fühlte sofort den inneren Ruf, meinen Teil dazu beizutragen, sie zu erhalten und für zukünftige Generationen zu bewahren.
Neben Taylor wohnten noch zwei weitere amerikanische Volontärinnen in unserem Haus. In den ersten Tagen waren sie allerdings meistens unterwegs, da die eine sich auf ihre Abreise vorbereitete und die andere gerade Besuch von ihren Eltern aus den USA hatte.
Völlig erschöpft von der aufregenden Fahrt saß ich auf einem kleinen Steg vor dem Haus und ließ mir den Wind ins Gesicht wehen. Verträumt lauschte ich der Musik aus meinen Kopfhörern und beobachtete das Meer, während die Sonne meine Haut küsste. Kurzerhand beschloss ich, zur Abkühlung ins Meer zu springen und meine Haut anschließend am Steg trocknen zu lassen. Die Wellen hatten eine heilende Wirkung auf mich. Es fühlte sich magisch an, hier zu sein – friedlich, vertraut, wie ein Ankommen an einem Ort, den ich mir jahrelang in meinen Gedanken so vorgestellt hatte.
Vor dem Schlafengehen saß ich noch eine Weile am Geländer der Veranda, schloss die Augen und ließ die Füße baumeln. Langsam beruhigte sich mein Herzschlag. Ich atmete bewusst ein und aus, bis ich ganz bei mir war.
Als ich mich vor einiger Zeit entschloss, an einem vierwöchigen Sozialprojekt teilzunehmen, wusste ich nicht, dass ich mich auf eine so verändernde und erfüllende Erfahrung einlassen würde. Aber es sollte so sein, und es wurde so, wie es sich später herausstellte. Ich hatte es schon damals auf der Veranda geahnt.