Plötzlich war es dann soweit und ich starte mein dreimonatiges Sabbatical nach Panama und Südamerika. Meine Eltern brachten mich zum Bahnhof, anschließend fuhr ich allein Richtung Flughafen. Mit der Zeit ließ der Druck langsam nach und so wurde diese Reise auch für mich immer realer. Die letzten Tage hatte ich nur funktioniert und wie in einer Blase gelebt, doch nun war ich bereit für das Abenteuer.

Der Abschied von meinen Freunden und meiner Familie fiel mir schwer, aber zeigte mir auch wie viele tolle Verbindungen ich habe. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich von vielen vermisst und gedanklich begleitet werde – dass mein Dasein Spuren hinterlässt und auch viele Menschen bei mir Spuren hinterlassen. „Ich werde euch vermissen, aber jetzt ziehe ich erstmal alleine in die weite Welt.“, machte ich mir selbst in Gedanken Mut. Ich ahnte schon, dass eine spannende Reise vor mir liegen sollte, die mich weit weg von meiner Heimat führen würde, aber auch näher zu mir bringen sollte.

 

Erste Station Panama

Sonnige zweiunddreißig Grad Celsius erwarteten mich in Casco Viejo, der Altstadt Panamas. Nach einer kleinen Erkundungstour, genoß ich die letzten Stunden auf dem Rooftop und dann ging‘s auch schon bald mit dem Nachtbus weiter nach Bocas del Toro. Hier wollte ich vier Wochen lang ein soziales Projekt bei „Give and Surf machen. „Give and Surf ist eine gemeinnützige Organisation, die durch einzelne Bildungsprojekte die einheimischen Gemeinschaften in Bocas del Toro (Panama) auf eine nachhaltige Art und Weise unterstützt und die Arbeit mit der Liebe zum Surfen verbindet. Meine Aufgaben als Volunteer waren hierbei breitgefächert: Mithilfe in Vorschulen und den Kindergarten, leichter Englischunterricht oder Kinderbetreuung in den Community-Centern.

Von der zentralen Busstation aus fuhr ich mit dem Taxi zur Bootsstation und dann weiter mit einem kleinen Boot zur Hauptinsel. Dort holte mich Tailor, mein Betreuer, am Hafen ab und erklärte mir, wo ich die wichtigsten Einrichtungen wie Lebensmittelgeschäfte, die Community-Center und Sprachschule finden konnte. In Bocas del Toro spielte sich das Leben auf und um das Wasser ab. Unser Volunteer-Haus lag auf der kleinen Insel Basti, die wir nur mit einem kleinen Motorboot oder dem Wassertaxis erreichen konnten. Ein paar Delfine zeigten mir den Weg dorthin. Ich war direkt in love, denn die Unterkunft war zwar sehr simpel, aber war an einem wunderschönen Strand zwischen Palmen gelegen, sodass ich vom Bett aus das Rauschen des Meeres hören konnte. Schon seit meiner Kindheit hatte ich von solch einem Ort geträumt und nun war ich wirklich dort.

Völlig erschöpft von der aufregenden Anreise, ließ ich mich auf einem kleinen Steg vor dem Haus nieder und ließ mir den Wind ins Gesicht wehen. Vertäumt lauschte ich der Musik und beobachte das Meer. Für eine kleine Abkühlung sprang ich anschließend ins Meer und ließ meine Haut auf dem Steg durch die Sonne trocknen. Die Wellen hatten eine heilsame Wirkung auf mich und so löste sich langsam die Anspannung der letzten Tage. Es fühlte sich magisch an hier zu sein – friedlich, vertraut, wie ein Ankommen an einem Ort, den ich mir in meinen Gedanken schon jahrelang genauso ausgemalt gehabt hatte. Er entsprach keinesfalls den deutschen Hygiene-, Sauberkeits- und Lebensstandards, aber ich liebte ihn schon jetzt – das Haus am Meer, am Rande des Dschungels. Bevor ich schlafen ging, saß ich noch eine Weile am Geländer der Veranda, schoß meine Augen und ließ meine Füße baumeln. Für einen Augenblick war ich ganz bei mir.

 

Eine Woche später…

Die Zeit raste, denn meine Tage waren vollgepackt. Bereits um 6:30 Uhr klingelte mein Wecker. Nach einer kleinen Mediationseinheit wurde ich dann mit dem Wassertaxi zur Hauptinsel gebracht. Von acht bis zwölf Uhr war anschließend spanisch lernen angesagt. Nach einer kurzen Mittagspause ging’s dann weiter zum Community Center, wo ich mit den einheimischen Kindern bis 18 Uhr spielte. Danach ging es mit dem Wassertaxi zurück nach Hause. Im Volunteerhaus angekommen erfrischte ich mich kurz im Meer, gönnte mir eine (arschkalte) Dusche, machte mir Abendessen und genoß den Sonnenuntergang am Steg. Auf der Hängematte, meinem Lieblingsplatz, ließ ich den Abend ausklingen oder fiel todmüde ins Bett. Die anderen beiden Volunteers Mädels waren die ersten Tage meist unterwegs, denn die eine bereitete sich auf ihren Abschied vor und die andere hatte Besuch von ihren Eltern bekommen. Da ich aus Platzgründen kein Buch eingepackt hatte, träumte ich also die meiste Zeit alleine auf der Hängematte vor mich hin. So verging Tag für Tag. Irgendwie fühlte mich von außen getrieben und von der Sprachbarriere überfordert. Das Gefühl auf andere angewiesen und somit fremdgesteuert zu sein, war mir neu. Daran musste ich mich erst noch gewöhnen. So ganz wohl fühlte ich mich gerade nicht in meiner Haut, obgleich ich mitten im Paradies saß.

Oh ja, ich erlebte die Zeit in Panama sehr konträr. Einerseits stellte sie mich auf eine harte Probe, da sie mich völlig aus der Komfortzone schmiss und mit alten und neuen Ängsten und Herausforderungen wie beispielsweise einem Englischtrauma konfrontierte, andererseits erlebte ich die Schönheit der Natur und die Verbundenheit mit den Kids in einem Ausmaß, das ich mir vorher nicht hätte erträumen können. Nachdem ich die erste Woche Spanischkurs geschafft hatte, wurde es entspannter, denn so konnte ich einen halben Tag für die Organisation arbeiten und hatte den restlichen Tag Zeit die Gegen zu erkunden oder einfach die Seele baumeln zu lassen.

 

Ein typischer „Arbeitstag“

Am liebsten half ich im Kindergarten bzw. der Vorschule aus. Mit dem Boot sammelten wir morgens die Kinder auf den verschiedenen Inseln ein. In der Nähe ihrer Blechhütten hielten wir an und riefen laut: „Escuelita! Escuelita! “ Freudestrahlend kamen die Kids in Windeseile angerannt und sprangen auf unser Schulboot. Im vollbeladenen Boot ging’s dann in ein kleines hölzernes Gebäude auf der Isla Bastimentos, wo wir gemeinsam bastelten, spielten und Vorschulunterricht machten – von Berührungsängsten war keine Spur, im Gegenteil. Es war für mich eine wahnsinnig bereichernde und erfüllende Erfahrung mit den Kindern zu arbeiten. Auch ohne vieler Worte entstand direkt eine Verbindung von Herz zu Herz. Die Sprachbarrieren wurden elegant mit Händen und Füßen aus dem Weg geschafft. Keinesfalls wollte ich diese Erfahrung missen wollen.

Nach und nach erkundige ich die Gegend. Am liebsten war ich in dem kleinen Café namens „Upon Hill“. Manchmal machte ich auch Wanderung durch den Dschungel zum Beispiel von „La Loma“ zum „Long Beach“ oder gönnte mir eine frischen Pina Colada an einer Strandbar. Es gab viele super schöne Plätze. Letztendlich waren es für mich die vielen kleinen Details, die den Unterschied machten, wie zum Beispiel der Sticker „You are beautiful“ auf einem Spiegel, der an einem veralgten Wassertank hing, das als Waschbecken einer simplen Toilette diente.

 

Alles hat zwei Seiten

Das Leben hier am Rande des Dschungels war wie im Paradies, gleichzeitig aber auch eine wirklich große Herausforderung für mich. Denn anfangs viel es mir schwer meinen Platz in dem eingeschweißten Team der amerikanischen Volunteers zu finden. Die Spachbarriere, genau wie die fremden Themen machten es mir schwer Anschluss zu finden. Doch neben den zwischenmenschlichen Themen forderten mich auch die äußeren Umstände. Spartanische Urlaube war ich gewohnt. Gewöhnlich brauchte ich keinen Luxus, aber hier am anderen Ende der Welt lernte ich die deutsche Klospülung mit fließendem Wasser, eine warme Dusche oder eine Internetverbindung noch einmal ganz neu zu schätzen, genau wie Strom, der nicht wegbricht, wenn man den Wasserhahn aufdreht, eine saubere Küche, auf der keine Katze ganz selbstverständlich über den Küchentisch marschiert oder Wohnräume, in denen mehr Menschen als Insekten hausen. Verglich ich mein Leben hier im Dschungel mit deutschen Verhältnissen, war ich aufs Minimum reduziert, verglich ich es mit dem der Einheimischen, lebte ich im Luxus, in der absoluten Fülle. Das brachte mich oft ins Grübeln.

Denn in Deutschland herrschte Wohlstand, Ordnung und System. Doch war das besser? Selbst die Obstabteilung im Supermarkt, glich ein Apfel dem anderen. Optisch eins A, geschmacklich so lala. Alles perfekt inszeniert. Aber eben, auch in gewisser Weise inszeniert. Das wilde, natürliche, authentische, individuelle Durcheinander gab es selten. Selbst die Bäume im Wald wurden zum Großteil akkurat nebeneinander eingepflanzt, wie Zinssoldaten. Hier im Dschungel war von Wohlstand, Ordnung und System wenig zu sehen, dafür war die Fülle greifbar. Ich fühlte mich dem Ursprung, dem Göttlichen so nah wie noch nie zuvor. Immer wieder fragte ich mich daher, ob der Fortschritt, den wir in vielen Lebensbereichen in Deutschland erlebten, gleichzeitig ein Entfernen des Ursprünglichen mit sich bringen musste. Schnell war ich mir sicher: hier war ich zwar auf ein materielles Minimum reduziert, aber erlebte gleichzeitig eine natürliche Fülle, ein natürliches Maximum von der wir in Deutschland nur träumen konnten. Kein Leben war besser oder schlechter als das andere, es war eben grundverschieden. Diese Erkenntnis erweiterte meinen Horizont und ließ mich die Selbstverständlichkeiten meines normalen Alltags noch einmal viel dankbarer erleben, manches auch in Frage stellen und so manches „Normal“ neu überdenken.

Auch wenn ich mich die gegeben Umstände oftmals an meine Grenzen gebracht wurde, war ich sehr dankbar dafür dank meines sozialen Projekts tiefer in das Leben eintauchen zu können, als ein klassischer Tourist.

 

Mädels-Wochenend-Trip nach Boquete

Ein absolutes Highlight meiner Zeit in Panama war Mädels-Wochenend-Trip nach Boquete – einem sehr heilenden Ort, umrandet von Bergen. Die Natur auf dem Weg dorthin faszinierte mich. Mit gemischten Gefühlen hatte ich den Trip am Freitag begonnen und mit einem tiefen und breiten Grinsen trat ich die Heimreise an. Ein einmaliges Erlebnis und wundervoller Abschluss war eine Yoga Stunde in einem Schmetterlingshaus. Handgroße wunderschöne Schmetterlinge schwirrten um uns herum und ließen sich teilweise kurzzeitig sogar während dem Yoga auf uns nieder. Das war ein absoluter Glücksmoment. Yes, yes, yes.

Ich erlebte Dinge, die ich mir in meiner Vorstellung nicht schöner hätte ausmalen können: Yoga im Schmetterlingshaus, Estatic Dance , und noch vieles mehr.

 

Mein erstes Zwischenresümee

Einen Monat war ich mittlerweile unterwegs. Die Zeit rannte, auch wenn ich jeden Tag sehr intensiv erlebt hatte. Panama hatte mich verändert. Ich war happy, denn hier in Panama hatte ich ein Stück Paradies auf Erden gefunden und mich durch das spartanische und zurückgezogene Leben selbst neu kennenlernen dürfen. Ich löste mich von alten Fesseln und dürfte das wundervolle Gefühl der positiven Leere erleben. Es war faszinierend die beklemmenden Gedanken ziehen zu lassen und so einen Raum für das pure Erleben zu schaffen. Während ich diese Zeilen schreibe überkommt mich pure Lebensfreude und ein Potpourri von Glücksgefühlen. Ich schwebe ganz oben auf der Welle und genieße es bestmöglich, auch wenn ich weiß, dass wieder andere Zeiten kommen würden.  Ich bin mit mir im Frieden und tauche ein in den Moment – egal, ob er gut oder schlecht ist. Jeder einzelne Moment ist vollkommen, wie er ist – einmalig in meinem Leben und nur . jetzt erlebbar.